Folge 10 aus Staffel 6 von „The Handmaid’s Tale“ erzählt die Geschichte von June Osborne zu Ende, lässt ihr Schicksal dabei jedoch genauso offen wie im Buch.
Die sechste und letzte Staffel von „The Handmaid’s Tale“ steht inzwischen komplett im Stream bei MagentaTV zur Verfügung. Junes Geschichte bekommt keine Fortsetzung in Staffel 7, stattdessen bringt uns ein Spin-off in Zukunft zurück nach Gilead. Zuvor führt uns das Ende von „The Handmaid’s Tale“ in der finalen Folge zurück an den Anfang von Junes Geschichte.
– Achtung: Es folgen Spoiler zum Ende von „The Handmaid’s Tale“! –
Ihr habt noch nicht reingeschaut? Der Trailer liefert euch einen Vorgeschmack auf Junes Schicksal in Staffel 6:
Das Ende von „The Handmaid’s Tale“ ist erst der Anfang von Gileads Fall
Schutzlos ohne Gileads Anführer in der Region konnten Mayday und der restliche Widerstand mithilfe von US-Truppen Boston befreien und wieder zu US-amerikanischen Gebiet erklären.
Die zunächst verloren geglaubte Emily taucht in Folge 10 wieder auf und Janine wird mit ihrer Tochter Angela vereint, durch die überraschende Hilfe von Tante Lydias Rolle im geheimen Widerstand . Für June gibt es ein Wiedersehen mit ihrer Mutter Holly und Tochter Nichole, allerdings währt die Freude nur kurz.
Serena erhält beim Abschied Junes Absolution und landet mit Baby Noah in spartanischen Verhältnissen in einer vorübergehenden Flüchtlingsunterkunft. Ihr Schicksal bleibt ungewiss, doch Mark Tuello verspricht, sie später aufzusuchen.
June und Lukes Tochter Hannah ist immer noch in Gilead bei den MacKenzies, die aufgrund der verschärften Sicherheitslage nach Washington versetzt wurden.
Für die Zukunft ihrer Töchter und all die anderen Mädchen, die in Gefahr sind, will June weiter für den Fall von Gilead kämpfen. Genau wie Luke und Moira, die sich Mayday im Kampf an der Grenze zu Gilead anschließen. Am Ende verabschieden Luke und June sich mit dem Versprechen, sich wiederzutreffen, wenn sie Hannah befreit haben.
Junes Geschichte ist der Report der Magd
Zuvor wurde June sowohl von Holly als auch Luke dazu ermutigt, die Geschichte zu ihrer Zeit in Gilead aufzuschreiben. Für ihre Töchter und all die Menschen, die ihr geholfen haben, soll sie ein Buch schreiben. Und genau das macht June, wie in der finalen Szene von „The Handmaid’s Tale“ angedeutet wird.
Der deutschsprachige Beiname der Serie verrät es bereits, aber für alle, die es noch nicht wussten: „The Handmaid’s Tale“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Margaret Atwood, auf Deutsch „Der Report der Magd“, aus dem Jahr 1985.
Margaret Atwoods Roman nannte June Osborne (oder wie die Figur ihrer Vorstellung nach sonst geheißen haben muss), jedoch nie bei ihrem richtigen Namen. „Der Report der Magd“ nennt die Protagonistin lediglich bei dem von Gilead aufgezwungenen Namen Desfred (im Original Offred).
In der Serie erfahren wir dabei wesentlich mehr über Junes Schicksal als im Buch: „Der Report der Magd“ endet inhaltlich bereits mit den Ereignissen aus Staffel 1, genauer gesagt mit der Szene, in der Desfred von den Augen verhaftet wird.
Am Ende der Serie stattet June dem abgebrannten Haus der Waterfords, in dem sie als Magd dienen musste, einen letzten Besuch ab. Angekommen in ihrem ehemaligen Zimmer setzt June sich wie zu Beginn der Serie auf die Fensterbank. Diesmal hat sie jedoch ein Diktiergerät dabei, um ihre Gedanken aufzunehmen und ihre Geschichte zu erzählen.
Nach fünf Staffeln zusätzlicher Handlung kehrt die Serie damit wieder zurück zu ihren Wurzeln und „The Handmaid’s Tale“ wird im wahrsten Sinne des Wortes zum Report der Magd.
Junes Worte beenden die Serie genau wie sie angefangen hat
Im Jahr 2195 wird Desfreds Geschichte als „Report der Magd“ in Form eines Zeitzeugenberichtes von den fiktiven Historiker*innen in einem Symposium zu Gileadstudien analysiert werden, jedenfalls wenn wir uns gedanklich an den Epilog von Margaret Atwoods Roman halten.
In „The Handmaid’s Tale“ beginnt ihre Geschichte mit den Worten, die uns bereits vom Anfang der Serie bekannt vorkommen: „Ein Stuhl, ein Tisch, eine Lampe, ein Fenster mit weißen Vorhängen“. Wie in Folge 1 von „The Handmaid’s Tale“ stellt June sich erneut vor mit „mein Name ist Desfred“.
Dabei handelt es sich jedoch nicht nur um eine Anspielung auf das zweite Kapitel von Margaret Atwoods Roman oder den Beginn der Serie: Tatsächlich ist Junes Geschichte am Ende der Serie derselbe Wortlaut wie das Voiceover in Staffel 1, Folge 1, wie Hauptdarstellerin Elisabeth Moss gegenüber The Hollywood Reporter erklärte.
Damit ist klar, dass wir in der gesamten Serie als Voiceover nicht nur Junes Gedanken, sondern ihre Erzählungen ins Diktiergerät und damit buchstäblich den Report der Magd hören. Wer in der allerersten Folge genau hinhört, erkennt sogar das Klicken des Diktiergeräts.
Was iert am Ende von „The Handmaid’s Tale“ mit June?
Zirkelschluss hin oder her, wollen Fans natürlich Gilead fallen und Gerechtigkeit für Hannah sehen. Doch wir müssen uns die Buchvorlage und ihre Botschaft vor Augen führen, um das Ende von „The Handmaid’s Tale“ zu verstehen.
Junes Schicksal bleibt genau wie im Buch offen. Das Gefühl der Ungewissheit soll uns plagen, genau wie June, die nicht weiß, ob sie ihre Tochter jemals wiedersehen wird. Ebenso treffend wie tragisch endet „The Handmaid’s Tale“ für uns genauso ohne hoffnungsvollen Abschluss wie für June. Sie ist frei, aber kann nie wirklich frei sein, solange Menschen in Gilead gefangen sind.
In der Geschichte, für die Gilead steht, gibt es kein Happy End. Margaret Atwoods erschreckend reale dystopische Zukunftsvision ist keine Rettungsgeschichte, in der das Gute über das Böse siegt, sondern vielmehr eine feministische Warnung, die aktuelle und historische Missstände mit gefährlichem Potenzial anprangert.
Junes Vermächtnis und Gileads Geschichte lebt im Spin-off weiter
Fest steht, dass June am Ende von „The Handmaid’s Tale“ noch lebt, doch wir wissen nicht, wie lange noch. Statt zu ihren Töchtern führt sie der Weg der Rebellion jedoch anscheinend immer weiter weg, schließlich werden Junes Töchter ebenfalls Zeuginnen von Gileads Gräueltaten.
Der Begriff ist keinesfalls zufällig gewählt, spielt er doch auf Margaret Atwoods Fortsetzungsroman „The Testaments“ (auf Deutsch „Die Zeuginnen“) an, der als gleichnamiges Spin-off die Geschichte von Gilead fortführen soll.
In „The Testaments“ geht es jedoch nicht direkt um June. Das Spin-off knüpft mit einem Zeitsprung von rund 15 Jahren (nach Staffel 1 und rund vier Jahre nach Staffel 6) an die Ereignisse der Hauptserie an und erzählt die Geschichte von Gilead durch die nächste Generation der Rebellion weiter.
Neben Tante Lydia, die erneut von Ann Dowd gespielt wird, stehen dabei Junes inzwischen erwachsenere Töchter Agnes (Hannah) und Daisy (Nichole) im Fokus:
Während Hannah als Agnes in Gilead aufgewachsen ist und als junge Frau eine Ausbildung zur Tante macht, um nicht als Kommandantengattin zu enden, wächst Nichole unbescholten von Gilead, aber auch ohne Wissen um ihre Vergangenheit als Daisy in Kanada auf. Als Agnes sich zunehmend dem Widerstand widmet und dabei auf die Schwester, von der sie nichts wusste, trifft, arbeiten sie und Daisy mit Tante Lydia an der geheimen Rebellion gegen das Regime.
Wie Nichole erneut in Kanada landet und warum sie ohne Holly und als Daisy aufwächst, bleibt unklar, lässt jedoch nichts Gutes für das Schicksal von June, ihrem Ehemann und ihrer Mutter vermuten.
Ob Gilead am Ende tatsächlich fällt, sehen wir hoffentlich in „The Testaments“. Bis dahin: Lasst euch nicht unterkriegen und lest in der Zwischenzeit die Buchvorlage.